04.12.07

Wer das liest ist doof

Früher war alles besser. Und dreckiger. Besonders im Bus. Als kleiner Kuddel hat man selbstverständlich auf dem Schulweg immer ganz hinten gesessen. Natürlich nur wenn man cool war, aber cool war ich ja schon immer. Und deshalb hab ich hinten im Bus gesessen mit den anderen coolen Kidz.

Damals als alles noch besser war, waren natürlich die Busse auch noch besser. Und dreckiger. Und es gab noch kein Internet. Und weil es kein Internet gab wurden die Busse als öffentliche Foren benutzt. Beziehungsweise die letzten Reihen im Bus. Beziehungsweise die Rückseiten der Rückenlehnen der Sitzbänke in den letzten Reihen im Bus. Die waren nämlich immer mit lustigen Botschaften und Bildern vollgeschmiert. Deswegen waren die Busse auch damals dreckiger. Und besser.

Natürlich wurden nur die Rücklehnen der letzten Reihen vollgeschmiert. Das hatte einen guten Grund: man wurde nicht erwischt. Warum nicht? Weil man erstens weitmöglichst vom Busfahrer entfernt saß und zweitens nur coole Leute hinten im Bus gesessen haben. Und coole Leute verpfeifen sich nicht gegenseitig. Nein, sie schreiben sich Botschaften mit Eddings auf die Rücklehnen.

Diese Botschaften waren häufig sehr ähnlich gestrickt. Besonders populär waren "I were here" oder "Wer das liest ist doof". Manchmal wurde es aber auch politisch wenn da zum Beispiel stand "Die Nazion stinkt". Oft gab es auch Zeichnungen - meist um die Funktionen von Geschlechtsorganen zu erläutern. Alles in allem also eine sehr lustige Angelegenheit. Und jeder konnte daran teilnehmen und anderen eine Freude bereiten.

Doch das ist heute längst vorbei und vergessen. Die uncoolen Leute fanden das nämlich gar nicht lustig weil sie nicht mitreden konnten und die lustigen Bilder von Titten und Pimmeln nicht verstanden hatten. Deswegen haben sie Jahre lang die Schmierereien (wie sie sie nannten) immer wieder weggewischt. Als sie merkten wie sinnlos das war gingen sie das Problem anders an: sie konstruierten andere Busse. Erst haben sie die eins hellen (bei uns orangenen) Rückseiten der Rücklehnen dunkel gemacht damit man den gemeinen, schwarzen Edding nicht mehr lesen konnte. Später kam ein dunkler, gerippter Sitzbezug (ähnlich Kort) über die Rückseiten der Rücklehnen damit man keine glatte Oberfläche zum bekritzeln mehr hatte. Sehr clever. Hat allerdings nur bedingt geholfen weil die Leute jetzt helle Lackstifte benutzten oder die Sitze gar angekokelt haben. Deswegen packten die Busentwickler ihre Geheimwaffe aus: den Stuhlkreis.

Heute kann man keine Rückseiten von Rücklehnen mehr beschmieren. Im hinteren Teil des Busses sind die entweder Rücken an Rücken oder alle nach aussen gerichtet, sodass man nicht mehr dran kommt. Jetzt sitzen die Leute hinten im Bus sich gegenüber und versuchen krampfhaft sich nicht gegenseitig anzustarren. Das ist natürlich voll blöd und keiner will mehr hinten sitzen. Und wenn man doch mal hinten im Stuhlkreis sitzen muss zwischen irgendwelchen Muttis mit gröhlenden Blagen kommt man sich so gar nicht mehr cool vor so wie früher.

Früher war halt alles besser. I were here.

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