09.06.08

Erwischt!

"Guten Morgen", sagt der nette Herr mit dem Aufdruck 'Kundenbetreuer' auf der Jacke, "Fahrkarte bitte!" Die Liebste beginnt in ihrer Tasche zu kramen. "Moment bitte..." *kram* "kleinen Augenblick..." *such* "wo hab ich denn..." *wühl*

Natürlich hat die Liebste eine Fahrkarte. Der aufmerksame Leser weiss, dass sie Medizin studiert. Und als Studentin gilt ihr Studentenausweis als Fahrkarte. Sie fährt also nicht schwarz.

Zumindest nicht absichtlich. "Oh, ich fürchte ich habe mein Portmonee zu Hause vergessen - und natürlich ist meine Fahrkarte da drin." Während die Liebste das sagt legt sie ihren unschuldigsten Hunde-babyblick auf. Es wirkt.

"Na dann lösen Sie doch jetzt eben eine Fahrkarte und ich will mal drüber wegsehen", sagt der nette Herr mit dem Aufdruck 'Kundenbetreuer' auf der Jacke und zeigt auf den Fahrkartenautomaten in der Mitte der Strassenbahn. Doch die Liebste runzelt nur die Stirn. "Ich glaube Sie haben mich missverstanden", sagt sie, "Ich habe mein Port-mo-nee nicht dabei. Dort wäre dann auch das Geld drin das ich bräuchte um jetzt eine Fahrkarte zu lösen."

Jetzt hilft auch der Hundebabyblick nicht mehr. "Also wenn Sie meiner Aufforderung nicht nachkommen, dann muss ich Sie jetzt wie eine Schwerstkriminelle behandeln und ihnen leider eine Strafe für's Schwarzfahren aufbrummen. Ausweis bitte!" Die Liebste kann die Dummheit nicht fassen, schüttelt fremdbeschämt den Kopf und sagt gaaanz langsam und deutlich damit es auch jeder Blödmann kapiert: "Kein - Port - mo - nee , kein - Aus - weis !" Der Herr mit dem Aufdruck 'Kundenbetreuer' auf der Jacke begreift endlich. "Ja dann müssen Sie halt an der nächsten Haltestelle raus", sagt er. Es hat den Anschein als wäre er leider knapp schlau genug sich keinen falschen Namen plus Adresse geben zu lassen. Die Liebste wird also aus der Bahn geschmissen.

Die ganze Situation ist der Liebsten gewiss nicht nur unangenehm, sondern kommt auch zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Sie ist nämlich auf dem Weg zur Uni, wo sie an einer wichtigen Pflichtveranstaltung teilnehmen muss. Diese Veranstaltung darf nicht verpasst werden sonst würde sie ein Semester später nachgeholt werden müssen und das teure Studium würde sich unnötig in die Länge ziehen. Der Rausschmiss aus der Bahn macht ein pünktliches Erscheinen dort natürlich fast unmöglich. Und weil in letzter Zeit fast in jeder Bahn Kontrolleure Kundenbetreuer sind macht es keinen Sinn ohne Studentenausweis mit der nächsten Bahn weiter zu fahren. Also heisst es für die Liebste zurück nach Hause und das blöde Ding holen.

Jetzt ist es natürlich doof, dass die Liebste nicht sofort kontrolliert kundenbetreut wurde als sie in die Bahn stieg, sondern erst als sie schon acht Haltestellen gefahren war. So war sie beim unfreiwilligen Verlassen der Bahn bereits viel zu weit von zu Hause weg als das man diese Strecke mal eben schnell zu Fuß gehen könnte. Das waren bestimmt fünf Kilometer! Wie lang das dauert die zu laufen können sie sich selbst ausrechnen. Auf jeden Fall zu lang wenn man pünktlich zu einem Termin erscheinen muss. Ein Glück das gerade auf der anderen Strassenseite die Strassenbahn in die Gegenrichtung hält, in welche die Liebste schnell reinhuscht um damit nach Hause zu fahren und ihr Portmonee zu holen.

Hatte ich schon erwähnt, dass hier in Bochum neuerdings in fast jeder Bahn Kontrolleure Kundenbetreuer lauern? Ja und so auch in der Bahn mit der die Liebste jetzt zurückfahren will. Diesmal wird sie allerdings sofort kontrolliert kundenbetreut und nicht erst nachdem sie schon fast wieder zu Hause ist. Und durch ein diesmal schnelleres Durcharbeiten des Kundenbetreuungsprotokolls (Kunde ansprechen, Kunde als bösartiges kriminelles Subjekt entlarven, Kunde vor allen anderen Kunden demütigen, Kundendaten für Strafe erfassen wenn möglich, wenn nicht möglich Kunde rausschmeissen) kann sogar sichergestellt werden, dass die Liebste garantiert gezwungen ist ein größtmögliches Stück des Weges zu Fuß zurücklegen zu müssen.

Da ihr nichts anderes bleibt gibt sie sich geschlagen und wandert betrübt nach Hause. Dort holt sie ihr Portmonee und fährt - diesmal völlig legal - zur Universität, die sie mit circa zwei Stunden verspätung erreicht. Mit gebeugtem Haupt betritt sie das Gebäude, bereit sich von einem Professor für ihre respektlose und natürlich absichtliche Verspätung anbrüllen zu lassen und...

...stellt fest, dass die Veranstaltung ohne Ankündigung auf einen anderen Tag verlegt wurde.

13 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Maaaann. Was für dein Glück deine Liebste hat. Und dennoch Unglück. Blöde Kon...Kundenbetreuer.

Jamez hat gesagt…

Für solche Kundenbetreuer hat der Herr den rechten Aufwärtshaken erfunden.. :D

Anonym hat gesagt…

Oh mein Gott... die arme Liebste. In so einem Moment würde ich wahrscheinlich irgendwas zu Kleinholz verarbeiten müssen - optimalerweise den Kundenbetreuer - um nicht zu explodieren. Erst der Stress mit dem Kundenquäler und dann war doch alles umsonst...

Ich hoffe, Sie haben die Liebste nach diesem beschissenen Tag wieder aufbauen können? Im Nachhinein lacht sich's ja immer gut über solche Dinge ... aber eben erst im Nachhinein. :o/

Tagebuchführer hat gesagt…

Tja...Dumm GELAUFEN !!! .-)

Anonym hat gesagt…

Ist aber auch wirklich eine Frechheit die Fahrgäste zu kontrollieren.
Noch schlimmer: Ich hörte von Geschwindigkeitskontrollen auf deutschen Straßen...
(-;

Trenchcoat hat gesagt…

Klarer Fall für: SCHOKOLADE.

Die Prinzessin! hat gesagt…

Schwein gehabt, dass die wichtige Pflichtveranstaltung verlegt wurde, wirklich Schwein gehabt deine Süße!

Scheiß auf die Kontroll-Freaks, schließlich machen die auch nur ihren Job!

Maak hat gesagt…

@marco: immerhin zwei mal erwischt und nicht einmal strafe zahlen müssen. :-D

@jamez: das werd ich der liebsten sagen. die kann karate! o.O

@häuptling: ich hab ihr frische erdbeeren direkt vom feld gekauft und damit war alles wieder vergessen. ;-)

@nw: total ABGEFAHREN! :-)

@herr olsen: kontrolle ist ja okay (in bahnen, nicht auf strassen!), aber das man sich von den möchtegern-sheriffs behandeln lassen muss als wäre man osama bin laden nur weil versehentlich etwas vergessen wurde finde ich fraglich.

@kind vom land: erdbeeren klappen auch!

@prinzessin: eure hoheit haben ja recht. aber wenn der tag schon so beginnt möchte man als der/die betroffene gar nicht wissen wie er weitergeht.

Anonym hat gesagt…

Hmmm, beim Lesen der Geschichte habe ich nur gedacht "Oh jeee, die Arme!", denn soetwas kann wirklich jedem passieren, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt. Nichtsdestotrotz ist gerade der Satz "Ich habe mein Portemonnaie (ich mags lieber Französisch) vergessen" leider auch eine beliebte Ausrede von lustigen Hobby-Schwarzfahrern. Woher soll der Kontrolleur wissen, dass deine Liebste nun gerade NICHT dazu gehört?!

Aber gut, dass Alles in Allem noch einigermassen positiv ausgefallen ist. Der Prof hatte vielleicht auch sein Portemonnaie daheim vergessen... :-)

Anonym hat gesagt…

Da hat sie wirklich Glück gehabt. Gab es denn bei den Mitfahrenden keinen Gnädigen, der ihr mal eben eine Fahrt spendieren konnte?

Glück im Unglück auf jeden Fall. Ich glaube aber, Kontrolleure müssen so böse sein. Sonst tanzen denen bald alle auf der Nase rum.

Maak hat gesagt…

@sabine: klar, das die schuld nicht unbedingt beim kontrolleur zu suchen ist. was würdest du denken wenn du in der situation steckst? wem deinen ärger in die schuhe schieben? tatsache ist nun mal, dass die kontrolleure oft vor allen leuten eine riesen show abziehen wenn sie mal wen schnappen.

@little james: glück gehabt hat sie auf jeden fall. zwei mal geschnappt werden und keine strafe! unschuldiger hundebabyblick for the win! aber wenn du wirklich glaubst es würde jemand eine fahrt spendieren, dann bist du noch nicht mit unserer linie 302 gefahren...

Mr.Elch hat gesagt…

Sehr schön! Könnte schon fast eine Scene aus einer Serie sein! Auf der einen Seite schlimm für Deine liebste, auf der anderen lustig zu lesen! ;-) Ich glaub, ich wär nur einfach zusammengesackt in der Uni... ^^

Herr MiM hat gesagt…

Das sind die Geschichten die das Leben schreibt... und zwar mit richtig feuchter blauer Tinte.